Die Frage nach dem Sinn des Geschichtsunterrichts hat sich in letzter Zeit gestellt. Die Vermittlung von Geschichte muss sich im Spannungsfeld von Macht, Wirtschaft und Gesellschaft behaupten. Der Geschichtsunterricht an den Schulen ist vielerorts unter Druck geraten. Einerseits zeigt sich, dass der Geschichtsunterricht an verschiedenen Orten zur Stärkung des Nationalismus instrumentalisiert wird. Zum anderen ist Geschichte als eigenständiges Schulfach vielerorts dabei, aus den Lehrplänen zu verschwinden.
Nicht zuletzt die starke Fokussierung vieler Schulsysteme auf den Nutzen wirft die Frage auf, was das Studium der Geschichte tatsächlich zum Verständnis der Gegenwart und zum Funktionieren der Gesellschaft beitragen kann. Diese grundsätzliche Unsicherheit über Ziel und Sinn des Geschichtsunterrichts steht im Gegensatz zur Öffentlichkeit, in der ein regelrechter Boom der Geschichtskultur erlebt werden kann und das Vertrauen in die orientierende Funktion der Geschichte für Gegenwart und Zukunft gering ist.
Am stärksten treten all diese Fragen insbesondere dann auf, wenn die Geschichte des eigenen Landes vermittelt wird. Im Workshop «Warum Geschichtsunterricht?» sollen solche zentralen Fragen international und vergleichend diskutiert werden. Ziel des Austausches ist es, die aktuelle Situation zu bewerten, Perspektiven aufzuzeigen und ggf. ein Projekt zu starten, das den aufgeworfenen Fragen methodisch bewusst und international vergleichend nachgeht. Sehr willkommen sind daher Beiträge, die einen Einblick in die Praxis geben und/oder einen theoretischen Blick auf dieses Forschungsfeld werfen und vielleicht sogar empirische Ergebnisse präsentieren. Sie geben dann Antworten auf die folgenden, bewusst provokanten Fragen: Führt eine Vernachlässigung der Vermittlung der Geschichte des eigenen Landes zu einem Niedergang des Nationalismus oder ist ganz im Gegenteil der Fall, wie die amerikanische Historikerin Jill Lepore meint: «Stattdessen frisst es den Liberalismus auf»? Führt Geschichtsunterricht zum Nachdenken über das Handeln in der Gegenwart und Zukunft oder verhindert er die Auseinandersetzung mit den wichtigen Fragen unserer Gegenwart und Zukunft? Ist es hilfreich und sinnvoll, bei der Geschichtsvermittlung verschiedene Felder (Nationalgeschichte, Kontinentalgeschichte, Weltgeschichte) zu unterscheiden, oder führt dies zu einem neuen Container-Denken und Ausgrenzungsmechanismen? In welchem Verhältnis stehen Geschichtsvermittlung und «heritage education»? Sollen sich Schulen mit Erinnerungs- und Erinnerungskulturen beschäftigen, oder ist es vielmehr das Ziel des Geschichtsunterrichts, kritisches Denken zu differenzieren? Warum muss Geschichte als eigenes Schulfach gelehrt werden? Wäre es nicht sinnvoller, Geschichte in eine größere Fächergruppe, zum Beispiel in die Sozialwissenschaften, zu integrieren? Ist der Geschichtsunterricht ein Teil der politischen Bildung oder ist die politische Bildung ein Teil des Geschichtsunterrichts?
Ob der Workshop stattfindet, ist unklar. Auskunft: Susan Graf Cerny susan.graf@phlu.ch
Datum und Ort:
Montag und Dienstag 4. und 5. Mai 2020
PH Luzern
Pädagogische Hochschule
Institut für Geschichtspädagogik und Erinnerungskulturen
Frohburgstrasse 3 / Postfach 3668 6002 Luzern – Schweiz
4. und 5. Mai 2020
PH Luzern